Es ist in der Tat eine nicht ganz alltägliche Geschichte. Während die Eisenbahn schon von Anfang an auf den Namen einer Kolonie, also der Ansammlung von einigen Häusern setzte, stritten sich die politisch Verantwortlichen der das Gelände besitzenden Gemeinden Feusdorf, Gönnersdorf, Schüller und Glaadt um ihre Rechte. Denn die damals nur vereinzelt vorhandenen Häuser und die als wichtiger Arbeitgeber fungierende „Jünkerather Gewerkschaft“ lagen schön verteilt auf dem jeweiligen Bann der o. g. Gemeinden
Doch die Eisenbahn ließen diese politischen Gegebenheiten ziemlich kalt. Sie setzte auf den Namen „Jünkerath“ und baute den Eisenbahnstandort „Jünkerath“ weiter aus. Doch der Reihe nach.
Obwohl schon im Jahre 1846 durch Dürener Bürger erste Bestrebungen zum Bau eines Schienenstranges durch die Eifel in Gang kommen, dauert es bis zum Jahre 1870, ehe eine Eisenbahnlinie als Verbindung der Städte Trier — Köln die Eifel durchzieht.
Als 1866 die landespolizeiliche Überprüfung des endgültigen Entwurfes der neuen Bahnlinie stattfindet, ist Jünkerath als Bahnhof vorgesehen. Das ist erstaunlich, da ein Ort Jünkerath zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht existiert. Vermutlich machen es eisenbahntechnische Erfordernisse notwendig.
Das gesamte Projekt ist für die Eifel zwar von großer Bedeutung, doch erst der Ausbruch des Krieges 1870/71 beschleunigt die Fertigstellung der Eifelstrecke. So können schon vor der offiziellen Eröffnung Gefangenentransporte durchgeführt werden. Die endgültige Freigabe für die friedensmäßige Nutzung auf dem Abschnitt Kall — Jünkerath — Gerolstein erfolgt am 15.11.1870.
Vor allem die Erfahrungen aus dem Kriege 1870/71 mit Frankreich bewegt Preußen zur Verstaatlichung der privaten „Rheinischen Eisenbahngesellschaft“ und zur Gründung der „Königlichen Eisenbahndirektion Köln“.
Die Bedeutung des Bahnhofs Jünkerath wächst auf Grund seiner günstigen geographischen Lage zwischen den großen Städten Trier und Köln rasch an. Schon bald ist Jünkerath ein Verkehrsknotenpunkt. 1893 wird die Preußische Maschinenwerkstätte, das spätere Bahnbetriebswerk, gegründet und ihrer Bestimmung übergeben.
Das für die Eisenbahn in Jünkerath wohl bedeutendste Ereignis nach der Jahrhundertwende ist der Bau der Strecke Adenau - Jünkerath - Weywertz. Dass die Bahnstrecke dann sogar zweigleisig gebaut wird, geht auf das Interesse des Kriegsministeriums zurück. Die Mehrkosten werden vom Reich und von Preußen gemeinsam übernommen. Die großen Entfernungen des Truppenübungsplatzes Elsenborn von den Garnisonen sind jetzt wesentlich schneller zu überwinden. Außerdem erkennt man, welche Erhöhung der Schlagkraft ein schneller Eisenbahntransport von Soldaten und Kriegsmaterial dem Heer bieten kann.
Da in der vorgeschriebenen kurzen Zeit selbst mit 3.300 Menschen die Arbeit an der neuen Bahnlinie nicht zu leisten ist, werden modernste und leistungsfähigste Maschinen in großem Umfange eingesetzt, und die feierliche Eröffnung der Strecke von Dümpelfeld über Jünkerath nach Weywertz findet am 1. Juli 1912 statt. Mit dem Bau der neuen Strecken im Jahre 1909 wird Jünkerath zu einem zentralen Verkehrsknotenpunkt und durch umfangreiche Aus- und Umbauarbeiten sowie dem Neubau eines Bahnbetriebswerkes der neuen verkehrsmäßigen Situation angepasst. Auf ebenfalls militärischen Einfluss geht die Existenz eines Verbindungsbogens zurück, der im Zuge des Streckenbaues Jünkerath — Weywertz entsteht und eine direkte Verbindung aus Richtung Köln nach Weywertz schafft.
Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges muss sich nun zeigen, ob die hauptsächlich durch das Militär bestimmte Linienführung der Strecken richtig gewählt war. In den ersten Wochen bringen Mobilmachungszüge Tag für Tag Soldaten und Material über die genannten Strecken an die Front.
Der Krieg geht verloren und es kommen erhebliche Reparationsleistungen auf das damalige Deutsche Reich zu. Einen großen Teil muss die Eisenbahn dazu beitragen. Auch Jünkerather Loks und Wagenmaterial werden nach Frankreich abgegeben.
1923 besetzen französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet und übernehmen gleichzeitig auch die Eisenbahnen im Rheinland. Die Regiezeit mit etwa 11.000 französischen Eisenbahnern beginnt. In dieser schweren Zeit entschließen sich viele Jünkerather Eisenbahner zum „passiven Widerstand“. Die Franzosen reagieren darauf mit Ausweisungen, die in den meisten Fällen über zwei Jahre dauern. In die leer stehenden Wohnungen der Eisenbahner ziehen nun französische Beamte ein. Mit dem Ende des „passiven Widerstandes“, am 26. September 1924, kehren nur ganz allmählich die Ausgewiesenen wieder zurück und melden sich bei den französischen Vorgesetzten zum Dienst, werden aber meistens erst Monate später eingestellt.
Erst 1925 ziehen die Franzosen wieder aus Jünkerath ab. Doch die wirtschaftliche Lage bessert sich nicht. 1929 sind in Jünkerath nur noch 272 Leute bei der Reichsbahn beschäftigt.
1933 schlägt die Geburtsstunde des „Dritten Reiches“. Auch in der Eifel macht sich die neue Lage bemerkbar. Mit den Vorbereitungen für den Westwallbau entwickelt sich die Eifel zu einem regelrechten Arbeitslager. Wiederum haben die Jünkerath berührenden Bahnstrecken Hochkonjunktur. Sämtliche Baustoffe für den Westwall kommen per Bahn, und der Güterwagenumschlag im Bahnhof Jünkerath steigt auf täglich 700 Wagen an. Im Jahre 1939 sind etwa 850 Eisenbahner in Jünkerath beschäftigt.
Die Höchstgrenze an Auslastung erreicht der Bahnhof Jünkerath im Jahre 1940. Mit Beginn des Frankreichfeldzuges rollen täglich etwa 70 Truppentransportzüge an. Diese werden entweder hier entladen oder gleich zur belgischen Grenze weitergeleitet. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien rollen vorrangig die Nachschubzüge zur Front.
Mit der Landung der Alliierten in der Normandie 1944 beginnen auch die Tieffliegerangriffe auf Jünkerath. Am 29.11.1944 erhält der Bahnhof gegen 22.00 Uhr erstmalig Artilleriebeschuss von der nahen Front bei Losheim. Gegen 23.00 Uhr läuft der letzte Personenzug in Jünkerath ein. Der Reisezugverkehr wird von nun ab eingestellt. Im Dezember erfolgen die schwersten Fliegerangriffe. Am ersten Weihnachtsfeiertag trifft ein Angriff den Bahnhof so schwer, dass ganze Zugteile und das Stellwerk zerstört sowie ein Großteil der Bahnhofsanlagen erheblich beschädigt werden.
Am 20. Januar übernehmen Feldeisenbahner der Wehrmacht die Dienststellen in Jünkerath. Einen Monat später dampfen dann die letzten noch betriebsfähigen Lokomotiven über die Ahrstrecke nach Koblenz und am 3 März 1945 werden sämtliche Brücken, Tunnels, Gleisanlagen und Stellwerke in die Luft gesprengt. Am 7. März marschieren die Amerikaner in Jünkerath ein.
Bei Kriegsende gleicht der Bahnhof Jünkerath mit seinen Gleisanlagen einem Schlachtfeld. Unter den schlechtesten Bedingungen beginnt auch in Jünkerath der Wiederaufbau. Gefahr droht durch Munitionsfunde und Blindgänger. So setzt man nach und nach die Gleise wieder instand und errichtet drei neue Stellwerke, was bei dem Ausmaß der Zerstörung gewaltige Anstrengungen erfordert. Handarbeit ist gefragt. Lokomotiven fehlen oder sind nicht betriebsbereit.
Trotz ständiger Reibereien mit der französischen Besatzungsmacht geht der Wiederaufbau doch recht zügig voran. Im Juni 1946 sind die Streckengleise soweit hergerichtet, dass wieder eine Verbindung von Schmidtheim nach Gerolstein besteht. Nachdem auch die Strecke Gerolstein über Daun nach Mayen am 1. September 1946 wieder befahren werden kann, besteht endlich eine Verbindung an das restliche Schienennetz. Ende Oktober läuft der Reisezugverkehr zwischen Schmidtheim und Gerolstein an. Noch im gleichen Jahr besteht wieder eine Verbindung nach Trier. Eine durchgehende Verbindung von Trier nach Köln gibt es erst ab dem 23.12.1947. Ende Oktober des Jahres 1948 ist auch der Wiederaufbau der Losheimer Strecke beendet. Doch der Zugbetrieb wird erst im Frühjahr des folgenden Jahres wieder aufgenommen.
Mit der Währungsreform 1948 blüht die Wirtschaft wieder auf und der Güterverkehr nimmt ständig zu. Um 1950 erreicht der tägliche Güterwagenumschlag wieder die Kapazität von 400 Wagen. 1952 erscheinen die ersten Schienenbusse. Sie übernehmen den Reisezugverkehr auf den Nebenbahnen und machen die Dampfloks in diesem Dienst überflüssig. Gegen Ende des Jahres 1953 sind alle größeren Schäden, die der Krieg hinterlassen hat, beseitigt.
Aber auch Jünkerath bleibt von dem sich anbahnenden Strukturwandel nicht verschont. Der Güterverkehr verlagert sich mehr und mehr auf die Straße und es machen sich die ersten Rationalisierungsmaßnahmen bemerkbar. Die Belegschaft der Bahnmeisterei wird verkleinert, Güterabfertigung, Bahnhofskasse und Fahrkartenausgabe dem Bahnhof angegliedert. Der Fahrplanwechsel am 24. Mai 1963 bringt das Aus für den Reisezugverkehr auf der Strecke nach Losheim. Der nächsten Rationalisierungswelle fällt im Jahre 1966 die Dampflok zum Opfer. Im gleichen Jahr organisiert die DB ihre Dienststellen neu; das Ende für das Bw Jünkerath. Es wird zur Außenstelle des Bw Gerolstein.
Doch der Abbau von Arbeitsplätzen ist damit immer noch nicht zu Ende. Man verlegt die bis dahin in Jünkerath anfallenden Zugbildungsaufgaben für Nebenbahnen nach Ehrang. Mit dem Ende des Sommerfahrplanes 1972 stellt man den Zugverkehr auf der Ahrstrecke ein. Im gleichen Jahr gibt die Güterabfertigung ihre Tätigkeit auf. Den Wagenladungsverkehr übernimmt der Bahnhof Kall, den Stückgutverkehr der Bahnhof Gerolstein. 1975 wird die Bahnmeisterei aufgelöst. Die große Demontage kann beginnen. Im Laufe des Herbstes 1976 fallen im Bw das Verwaltungsgebäude, der Ringlokschuppen mit seinem 60 m hohen Kamin, der Kamin am Langschuppen und die Drehscheibe dem Bagger zum Opfer. Für die letzte Eisenbahn-Dienststelle Bahnhof Jünkerath kommt die Auflösung am 1. Februar 1979. So hat man innerhalb von 20 Jahren die Anzahl der Arbeitsplätze in Jünkerath von etwa 700 auf 20 wegrationalisiert.
Die Strecke nach Losheim befährt am 8. Oktober 1981 der letzte Zug, nachdem wegen Unwirtschaftlichkeit auch der Güterzugdienst eingestellt wird.
Doch nun schließt sich wieder der Kreis. Aus strategischen Gründen und militärischem Interesse der NATO dürfen die Bahnhofs- und Streckengleise nicht zurückgebaut werden. Im Gegenteil, im Oktober 1985 erneuert die DB den Oberbau zwischen Jünkerath und Losheim und am 11. Oktober 1986 wird die Strecke (wieder)eröffnet. Die DB schließt zum 31.12.1993 die Gütertarifpunkte Jünkerath und Losheim und verzichtet somit auf eine zivile Nutzung.
Zudem wird die Zugbildung 1997 ganz nach Gerolstein verlegt. Die Vorheizanlage in Jünkerath wird abgebaut, der Bahnhof ist jetzt abends leer. Äußerst skeptisch beurteilen viele Bürger die Schließung der Fahrkartenausgabe im November 1999. Fahrscheine gibt es ab jetzt nur noch am Automaten.
Die bisher geltenden militärischen Gesichtspunkte zur Nutzung der Losheimer Strecke spielen keine Rolle mehr. Die Strecke nach Belgien wird nur noch von wenigen Sonderzügen genutzt. Die Übernahme durch eine private Eisenbahngesellschaft scheitert an finanziellen Vorstellungen des Eisenbahnbundesamtes. Im Jahr 2004 kommt auch hier das Aus und bis zum Beginn des Jahres 2005 sind alle Gleise abgebaut.
Was bleibt? Das Bahnhofsgleisfeld wird bis auf zwei durchgehende Gleise und ein Stumpfgleis zurück gebaut. In Lissendorf baut das Unternehmen „Die Bahn“ ein neues Stellwerk, das auch die Arbeit der Stellwerke in Jünkerath übernehmen wird. In ganz kurzer Zeit wird kein Eisenbahner mehr in Jünkerath beschäftigt sein.
Gleichzeitig ist Jünkerath darum bemüht, auf eigene Kosten den Bahnhof auf einen heute üblichen kundengerechten Standard zu heben und finanziert dessen Umbau.
Die Beziehung zwischen dem Ort Jünkerath und der Eisenbahn hat sich nach 75 Jahren auf den Kopf gestellt. Früher war Jünkerath einmal abhängig von der Eisenbahn, heute ist es umgekehrt.
Herzlichen Glückwunsch Jünkerath!
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